Montag, 21. November 2011

In Memoriam FJD

Vielleicht das Beste von dem versoff'nen Chronisten:

Deine Schwestern, Tante T´hrese,
waren sämtlich hübsch und grad.
Du warst dafür der Tribut, an
die Dämonenwelt gezahlt.
Dich mit deinen Flammenhaaren,
deinem Feuermal am Kinn,
den unendlich großen Füßen,
nahmen sie als Fügung hin.

Hocktest meistens in der Küche,
hast die Mahlzeiten gemacht.
Und du spültest ihre Schüsseln
während ihrer Hochzeitsnacht.
Du saß´t stundenlang an Wiegen,
summtest, horchtest auf den Wind
und warst glücklich, wenn sie sagten,
diesmal wäre es dein Kind.

Man ertrug dich, ließ dich leben,
durftest auch vor Türe gehen.
Selbst den Tick an Fronleichnam
haben sie dir fast verziehn.-
War das ehrlich oder Rache,
wenn du die Gardine nahmst,
sie um Kopf und Schultern legtest,
so zur Prozession rauskamst?

Ob man dich auch schlug und einschloss,
spätestens an der Station
in Doktor Strathmanns Blumengarten
knietest du, wenn wir kamen, schon.
Sangst voll Inbrunst Litaneien
oder auch ein Weihnachtslied.
Alle lachten. Doch der Pfarrer
kam zu dir und sang laut mit.

Ja, Tante T´hrese, deine Schwestern
sind nicht mehr auf dieser Welt,
ihre Kinder, kühl und freundlich,
zahlen jetzt dein Pflegegeld.
Deren Kinder nämlich - heisst es -
hätten vor dir große Angst,
vor dir, die du allen Kindern
nachts die Angst nahmst, wenn du sangst.

Auch der Pfarrer ist nicht weise,
so wie es der alte war.
An Fronleichnam treten leise
dicke Männer zum Altar
in Doktor Strathmanns Blumengarten,
drehen dich ganz sanft herum
und bringen dich in der Gardine
zurück ins Sanatorium.

Ja, Tante T´hrese, ist schon richtig:
Früher, das ist lange her.
Wie du aussiehst - die Gardine -,
das darf heute keiner mehr.
Ja, ja, auch der Schnee ist anders,
nicht so weiß wie früher mal.
Herr erlöse dich und andre
hier aus diesem Jammertal.