Donnerstag, 20. September 2012

"Wissenschaft" als Sexualtherapie

Auf der Freie Wähler Frankfurt-Seite findet sich ein interessanter Beitrag, der die nichtendenwollende Diskussion um Judith Butler in eine andere als die "Haut Israel"-Perspektive rückt:

Letzte Woche hat die amerikanische Philosophin Judith Butler in der Frankfurter Paulskirche den Adorno-Preis 2012 verliehen bekommen. Ein Grund für eine kurze Nachbetrachtung, denn die Umstände dieser Verleihung laden zum kritischen Nachdenken ein.

Seit 1977 wird der Theodor-W.-Adorno-Preis der Stadt Frankfurt am Main alle drei Jahre zur Anerkennung herausragender Leistungen in den Bereichen Philosophie, Musik, Theater und Film verliehen. Er ist mit 50.000 Euro dotiert. Somit versteht sich von selbst, dass die Preisträgerin von den städtischen Verantwortlichen inhaltlich akzeptiert wird und somit auch vom Kuratorium als "eine der maßgeblichen Denkerinnen unserer Zeit" betitelt wurde.
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Interessant an der Preisverleihung aber ist nicht dieser Streit, sondern die Verschiebung der ideologischen Gewichtung bei den Verantwortlichen der Entscheidung. Trotz massiver Kritik von jüdischer Seite und der Gefahr, als Begünstiger des Antisemitismus angegriffen zu werden, blieb beispielsweise Kulturdezernent Felix Semmelroth (CDU, früher SPD) ungewöhnlich standhaft. Das war nicht nur der Tatsache geschuldet, dass Semmelroth faktisch ein Grüner ist und deren konsequenter kulturpolitischer Sachwalter. Auch der gesamte Magistrat ließ sich nicht von den jüdischen Protesten beirren - ganz im Gegensatz zu früheren Konflikten ähnlicher Prägung. Warum war das so?

Hierzu muss man die ideologischen Hintergründe Butlers kennen. Die 56-jährige lehrt Rhetorik und Literaturwissenschaft an der University of California in Berkeley. Die „Zeit“ schrieb, sie stehe sowohl „in guter Tradition der Kritischen Theorie als auch der amerikanischen Dekonstruktion“. Vor allem aber ist sie als Urgestein der feministischen Theorie in Erscheinung getreten. Dabei stieß sie 1990 mit ihrer Schrift „Das Unbehagen der Geschlechter“ die so genannte „Queer“-Theorie an. Diese behauptet, dass die geschlechtliche Identität nicht auf genetischen bzw. natürlichen Grundlagen beruhe, sondern nur durch soziale und kulturelle Prozesse „konstruiert“ würde. Es gäbe also gar keine festgelegten Männer und Frauen, wenn diese nicht durch gesellschaftliche Machtstrukturen faktisch dorthin getrieben würden. Letztlich soll die „Queer“-Theorie durch das Hinterfragen sexueller Identitäten bestehende „Machtstrukturen“ und soziale Normen „dekonstruieren“, also zersprengen.

Es verbirgt sich also hinter Butlers Theoriekonstrukt ein bislang weltgeschichtlich einmaliger Angriff auf die Polarität der Geschlechter. Und dieses Konstrukt hat es im Zuge der vielfältigen aktuellen „Gender“-Aktivitäten im Bildungsbereich mittlerweile bis in den Bereich der offenen Unterstützung durch die hohe Politik geschafft. Die „Queer“-Theorie ist dabei nur ein Teilbereich eines weitreichenden „Dekonstruktions“-Projekts, dass auch andere kollektive Identitäten, etwa der Rasse oder der Nation, grundsätzlich in Frage stellt. Ziel ist letztlich der Aufbau einer neuen Herrschaft von Sozialutopisten, die „Dekonstruktion“ dient als Mittel der Verunsicherung scheinbar „rückständiger“ Bürger.

Auf der Internetseite Wikipedia wird im Eintrag zu „Judith Butler“ erklärend verlautbart: „Durch Dekonstruktion gelte es, Spielraum für ein Erproben von alternativen Geschlechtsidentitäten, queer identities, zu schaffen. Queer ist hierbei nicht als ständig wechselbare Identität gedacht. Ziel sei vielmehr, (…) zur Geschlechter-Verwirrung anzustiften. Damit können Strategien der Vervielfältigung mobilisiert werden, die die Festlegung von Geschlechtsidentitäten angreift und überschreitet.

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Dennoch hat diese „Queer“-Theorie derzeit eine solche Macht, dass die städtischen Verantwortlichen eher fürchten, es sich mit Feministen und „Gender“-Ideologen zu verscherzen, als mit den jüdischen Organisationen und deren offenbar abgenutzter „Antisemitismus“-Keule. Das ist fürwahr ein bemerkenswerter Paradigmenwechsel, der zeigt, dass die große Zeit der „Vergangenheitsbewältigung“ sich offenbar wirklich ihrem Ende zuneigt. Unverhohlener feiern stattdessen zwielichtige linke Ideologien ihren Narrentanz ...

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Doch nicht nur, dass Judith Butler im Zusammenhang mit dem Palästina-Konflikt von zwei Völkern geschrieben hat, obwohl dies nach dekonstruktiver Lesart nicht konsequent sein dürfte. Sie schloss den Streit um ihre Preisverleihung in einer Wortmeldung für sich selbst interessanterweise mit einer Bemerkung ab, die unter konsequent „antirassistischen“ Gesichtspunkten als „rassistisch“ eingestuft werden müsste. Sie schrieb: „Vielleicht wäre aus dem `Streit´ um meine Ansichten zu lernen, dass Juden einfach kompliziertere Menschen sind, dass sie nur selten miteinander übereinstimmen, dass ihre Streitlust Teil einer wertvollen talmudischen Tradition ist…“

Stellt man diese Aussage vom Kopf auf die Füße hegt folglich Butler die Vermutung, dass Nicht-Juden offenbar in ihrem Denken schlichter seien und über weniger diskursive Streitkultur verfügten. Aber wäre dies nicht auch kollektive Zuschreibung, ein „Konstrukt“ hinsichtlich kollektiver Eigenschaften? Proteste von „antirassistischen“ Gruppen, die sonst so gerne gegen jede mögliche kollektive Erhöhung und Herabstufung ihre Stimme erheben, waren diesmal übrigens keine zu vernehmen.
Na wenn das der Sarrazin gesagt hätte!

Auf dieser Seite und unserem englischsprachigen Blog haben wir wiederholt auf die, teilweise versteckt, meist jedoch ganz offen praktizierte familienzerstörende Wirkung des Zeitgeistes hingewiesen. Und während überall die Bollwerke taditioneller Familienwerte fallen, ist es wieder einmal die katholische Kirche, die dagegen ihre Stimmer erhebt (hier im Zusammenhang mit der Einführung der "Homoehe" in Frankreich).
Der Erzbischof von Lyon hat mit Äußerungen zu einem Gesetzesprojekt von Präsident Francois Hollande eine Debatte in Frankreich ausgelöst. In einem Radiointerview hatte Kardinal Philippe Barbarin am Wochenende gesagt, die Legalisierung einer Ehe zwischen zwei Partnern desselben Geschlechts würde einen „Bruch in der Gesellschaft“ bedeuten.

„Wenn man so etwas erlaubt, dann hat das eine Reihe von Folgen, die man kaum aufzählen kann“, so der Kardinal wörtlich: „Die werden dann zum Beispiel Paare zu dritt oder zu viert erlauben wollen. Und dann fällt vielleicht eines Tages das Inzest-Verbot.“ Deutliche Worte, die kurz nach einem Treffen des Kardinals mit dem neuen Innenminister Manuel Valls fielen. Noch nie seit Amtsantritt der neuen sozialistischen Regierung hat sich in Frankreich ein Kirchenführer so offen gegen ein Projekt von Präsident Hollande in Stellung gebracht.

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„Ich verstehe nicht, warum es der Kirche schaden sollte, wenn jemand darauf hinweist: Eine Öffnung der Ehe für alle möglichen Partner könnte auch z.B. die Einführung der Polygamie bedeuten.“ Das meint der Pariser Kardinal André Vingt-Trois, Vorsitzender der Französischen Bischofskonferenz. „Das ist doch eine vernünftige Erklärung.“ Kardinal Barbarin selbst wies in einem Statement darauf hin, er habe durchaus Respekt vor Homosexuellen, und das Wort „Polygamie“, das ihm jetzt alle vorhielten, sei doch wörtlich in dem Interview gar nicht gefallen. Einer von wenigen, die Barbarin beispringen, ist Joël Mergui vom Zentralrat der Juden in Frankreich: Auch das Judentum sei gegen eine gleichgeschlechtliche Ehe, und er frage sich auch, „in welche Richtung eine Gesellschaft geht, in der das traditionelle Familienbild verändert wird“.
In welche Richtung? Wir haben das in unseren Blogs schon vor Jahren thematisiert, schwerpunktmäßig hier (Inzest) und hier (Polyamouröses) in unserem englischsprachigen, und hier in diesem Blog. Auch sind unter den Überschriften Familienwerte bzw. Family Values einschlägige Einträge zu finden.

Und wieder einmal bewahrheitet es sich: Deutsche fressen jeden Scheiß, wenn er nur als Tiefsinn 'rüberkommt, und -- hoppla -- wird aus einer Lesbe mit Männerhaarschnitt "eine der maßgeblichen Denkerinnen unserer Zeit". Es kann auch "Denker_innen" sein, und hätte sie nicht zwischendurch auch mal die Existenz Israels in Frage gestellt, wäre all' das niemandem aufgefallen.