Samstag, 12. Januar 2008

Wenn Schamlosigkeit zur Methode wird

Inzwischen dürfte jeder das peinliche koalitions-/ oppositionsübergreifende politische Liebesgeflüster zwischen Zypries und Mutlu bei "Hart aber Fair" mitbekommen haben und die meisten sicher auch die an Schamlosigkeit und Zynismus nicht mehr zu überbietenden Stellungnahmen in der Bildzeitung. (Bitte googeln!)

Wir gehören nicht zu den Horden der gewohnheitsmäßigen Leserbriefschreiber, aber in diesem Fall hätte Abstinenz uns Gemütsblähungen verschafft und das haben wir nicht verdient.

Sehr geehrter Herr Mutlu,

BILD ist ein Medium, dem ich nicht unbedingt traue. Hier ein Zitat von der Webseite dieses Blattes:

Der Abgeordnete [Mutlu] zu BILD: „Alaattin Kaymak ist offenbar kein Politik-Profi und nicht sehr redegewandt.
Ich wollte nur fragen, ob denn vor der Sendung niemand mit ihm gesprochen hat.“
Falls BILD Sie allerdings korrekt zitiert hat, sollten Sie sich einer offenbar überfälligen Wirklichkeits-Überprüfung unterziehen. Der junge Mann, Alaattin Kaymak, spricht - in bemerkenswertem Gegensatz zu Ihnen - ein völlig akzentfreies Deutsch. Er erschien vollkommen unbefangen, wirkte ehrlich, und seinen kleinen (aber durchaus geistreichen) Witz über das Rauchergesetz trug er mit dem Sinn für "timing" eines routinierten Entertainers vor.

Kann es sein, dass Sie Deutsch nicht nur nicht sehr gut sprechen, sondern auch nicht sehr gut verstehen? Anders wäre obige Aussage nämlich nicht erklärbar.

Es verwundert mich auch, dass es Sie verwundert, dass ein reformierter junger Schläger nicht auch gleichzeitig ein "Politik-Profi" (was immer das sein mag) ist.

Wie gesagt, sollten Sie das tatsächlich so gesagt haben, wie BILD es zitiert, würde das einer peinlichen Blamage noch eine zweite, schlimmere, hinzufügen. Musste das sein? Haben Sie keine Berater, deren Deutsch muttersprachlichen Ansprüchen genügt?

Mit freundlichen Grüßen
(Unser voller Name und Wohnort)


Die frechste Hilfestellung beim Zurückrudern kam allerdings von der oh-so-konservativen "Frankfurter":
Daran könnte man eine Verschwörungstheorie aufhängen, doch ist die Erklärung, wie Özcan Mutlu im Gespräch mit dieser Zeitung sagte, ganz einfach. Weil er erst in letzter Sekunde ins Studio gekommen war und die Gespräche, die Plasberg vor Sendebeginn mit den einzelnen führte, nicht mitbekam, habe ihn gewundert, warum der junge Mann bei dieser Frage so ins Stottern kam. Plasberg wiederum guckte in diesem Augenblick ganz verblüfft, weil sein Gegenüber, der als zum Guten gewendeter ehemaliger „Schläger“ und Hoffnungsträger am Rande antrat, ihm eröffnete, dass er die Fachoberschule gerade abgebrochen und vorhabe, Bodyguard zu werden. Bei „Hart aber fair“ werden inzwischen also sogar Mienen, Gesten und Worte auf die Goldwaage gelegt, die man gar nicht hören kann. Was einmal mehr unterstreicht, dass die wichtigste Talksendung der ARD mittwochs läuft.
Was einmal mehr unterstreicht, dass Journalisten entweder kackfrech lügen oder sich nicht einmal die Mühe machen, sich die Dinge, über die sie schreiben, auch anzusehen, weil sie darauf bauen können, mit beidem davonzukommen. Denn erstens kam der junge Mann eben NICHT ins Stottern und zweitens war die Sache mit dem Schulabbruch an dieser Stelle garnicht das Thema, und das Ganze war dann auch offensichtlich derart dämlich, dass es nicht einmal Mutlu selbst in seinen Entschuldigungskatalog aufgenommen hatte, was etwas heißen will.

Nicht einmal ein guter Versuch, Herr Hanfeld! Sie sollten Vieles vielleicht öfter auf die Goldwaage legen.

Aber man kann es ja mal versuchen, nicht wahr?