Mittwoch, 13. Februar 2008

Ullalalas nächstes Lieblingsprojekt

Bundesgesundheitsministerin Ullalala Schmidt will einen "Kodex gegen den Schlankheitswahn" und so wird eine uralte Sau zum Xten Mal durchs Dorf getrieben. Einmal wieder gilt es, das dumme Volk vor sich selbst zu retten, denn

Rund 600.000 Menschen zwischen 15 und 35 Jahren sind in Deutschland nach Angaben von Schmidt an Magersucht oder Bulimie erkrankt. „Viele von ihnen eifern Schönheitsidealen nach“...
Tja, da gibt es doch tatsächlich Menschen, die dem nacheifern, was sie als schön empfinden. Das hätten wir ohne die Frau Minister nicht gewusst. Allerdings ist das fast nie der Grund der Essstörung, sonst hätten wir weit mehr als 600.000 Essgestörte.

Würde hinter dieser Idee nicht die Psychotherapie-Mafia und die ihr zuarbeitende Opfermentalitäts-Ideologie des gesellschaftlichen Mainstreams stehen ("Ich habe ein Problem. Es muss die Schuld eines Anderen sein") würde längst nach der Einsicht gehandelt, dass viele Essstörungen mit Großvater-Präparaten aus dem Schatzkästlein der Antidepressiva behandelbar sind, für niedrige zweistellige Euro-Beträge massenhaft zu haben, würden nur mehr Ärzte sie verschreiben. Aber simplizistische Weisheiten wie "Chemie ist Bäh" sind inzwischen viel zu tief in der deutschen Gruppenseele verankert, vor allem auch im eher gebildeten Segment, um noch Raum für vernünftige Erwägungen zu lassen. Von den Verdienstmöglichkeiten in der Industrie genannt Psychotherapie samt der ihr angeschlossenen Branchen (Bewegungstherapie, Ergotherapie usw.), wobei auch nicht die Hersteller von Mode in Übergrößen vergessen werden sollten, garnicht zu reden.

Es kann als sicher angenommen werden, dass Schmidt, laut Eigenwerbung studierte Psychologin, das auch weiß.

Und weiter:
„Erfolg ist immer noch mit Schlankheit verbunden.“ Ziel der im Dezember von der Bundesregierung gestarteten Initiative sei es, dieses Denken zu ändern.
Die Ministerin verwechselt hier, absichtlich oder fahrlässig, Ursache und Wirkung. Nicht jeder schlanke Mensch hat Erfolg, aber Schlankheit geht zusammen mit bestimmten erfolgsfördernden Faktoren, wie z.B. Aktivität, Verantwortung der eigenen Person gegenüber und Disziplin, aber es wäre doch gelacht, wenn den Leuten derart lästige Denkstrukturen nicht abzutrainieren wären.

Selbstverständlich gibt es auch Berufe, für die Schlankheit und ein gewisses gutes Aussehen bisher immer noch conditio sine qua non sind und das ist auch gut so. Auch hier darf man davon ausgehen, dass Schmidt, die sich und ihr Kind als Studentin durch Kellnern im Rotlichtmilieu durchgebracht hat, das weiß. Wäre sie fett gewesen, hätte sie den Job nicht bekommen, auch bei der eigenen Schwester nicht, um so zynischer der garnicht-so-blinde Aktionismus der alternden Schmidt, für die diese Tage längst Vergangenheit sind.

Gemessen an der Hartnäckigkeit, mit der die Kontroll- und Disziplinierungsmaßnahme Rauchverbot in Kneipen derzeit durchgesetzt wird, ist es nicht völlig absurd anzunehmen, dass wegen einer neuen Lieblingsidee der Frau Minister, vielleicht demnächst für Berufe, für die gewissen Schönheitstandards gelten, eine Quotenregelung eingeführt wird, etwa dass auf drei schlanke und hübsche Bardamen dann eine fette und picklige eingestellt werden muss.
„Wir haben den Trend zu einer neuen Weiblichkeit“, sagt die Präsidentin des Deutschen Mode-Instituts, Ulla Ertelt. „Es gibt viele junge Frauen, die mit neuem Selbstbewusstsein auftreten, Kleider tragen und bewusst „Frau“ sind.“ Will heißen: Statt übertriebener Dünnheit wird das Bekenntnis zur weiblichen Figur wieder wichtiger.
Immer wenn Aussagen derart voll mit Un-, Halbwahrheiten und Verdrehungen sind, hat jemand eine Agenda und diese hier ist unschwer auszumachen. In Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern des Westens, sind immer mehr Menschen aller Altersstufen nicht von Anorexie, sondern von Adipositas betroffen. Gerade bei jungen Menschen, so sagen Experten, ist es der falsche Lebensstil, der sie immer dicker werden lässt und nur in etwa fünf Prozent der Fälle sind Hormon- oder Stoffwechselstörungen der Grund dafür. Die Gefahr, dass anorektische Models hier durch falsche Vorbilder größeren Schaden anrichten, ist etwa ähnlich groß wie die, dass Altbundeskanzler Helmut Schmidt die Jugend zum Rauchen verführt. Aber auch die Warnung vor einer eingebildeten Gefahr vermag Ängste zu wecken und ängstliche Menschen sind leichter manipulierbar, nicht wahr?

Ferner wird durch die Wortwahl darüber hinweg getäuscht, dass eine weibliche Figur, und nicht ein anorektischer Hungerhaken, schon IMMER das Schönheitsideal war. Eine weibliche Figur hat Formen: Po, Hüften, Brüste, betont von einer schlanken Taille, nur – und jetzt kommt der Knackpunkt - eben ohne Fettpolster. Als Euphemismus für den Begriff "Übergewicht", zu dem er schon lange verkommen ist und als der er hier ganz klar verwendet wird, ist der Begriff "weibliche Figur" allerdings nichts weiter, als Teil einer Manipulations- und Vernebelungsstategie.


Audrey Hepburn, ewiges Vorbild bezaubernder Weiblichkeit.
Was der von der Bundesregierung angestrebte Kodex konkret beinhalten soll, ist noch unklar... Einig sind sich aber alle darin, dass sie die Gefahren von Essstörungen verstärkt zum Thema machen wollen, auch bei internationalen Tagungen. „Wir müssen Kinder und Jugendliche stark machen - so wie sie sind“, sagt Schmidt.
Das mit den "internationalen Tagungen" gefiel mir besonders gut. Sie wollen also nicht wirklich etwas gegen "die Gefahr von Essstörungen" tun, sondern bei maximaler Aufmerksamkeit und unter bequemsten Bedingungen darüber quatschen und das war's. Wie wäre es bei der nächsten internationalen Tagung mit einen Bulimie-Büffet, extra große Portionen, die dann gleich nebenan wieder ausgekotzt werden können, aus Solidarität mit den leidenden Frauen, sozusagen.

Aber eigentlich ist das alles andere als witzig. Jeder, der psychotherapierte übergewichtige Frauen und Mädchen kennt, kennt auch das "Ich akzeptier' mich jetzt so, wie ich bin"-Mantra - das Lebensgefühl des durchfallkranken Mannes aus dem alten Witz, dem der Arzt versehentlich Beruhigungsmittel verschrieben hat, was der Patient aber ganz okay findet, da er sich ja nicht mehr darüber aufregen muss, dass er sich in die Hose scheißt.

Natürlich akzeptieren sich die übergewichtigen Mädchen und Frauen nicht wirklich selbst, und sie glauben auch nicht, dass sie eine "weibliche Figur" haben. Kardiovaskuläre Erkrankungen, Gelenkprobleme, Kurzartmigkeit, Bluthochdruck und Diabetes belehren sie eines Besseren, von der gesellschaftlichen Nichtakzeptanz einmal ganz zu schweigen. Wir reden ja hier nicht von den wenigen Wannabe-Models, die bei einer Körpergöße von 1,79 mit Kleidergröße 36 zu "dick" sind für den Job, sondern über – nach jedem vernünftigen Maßstab und ganz objektiv – dicke Frauen.

Eine Gesellschaft, deren Eliten das weibliche Streben nach gutem Aussehen pathologisieren, psychotherapieren und zu Manipulationszwecken ausbeuten, stinkt.

Tut man adipösen Menschen wirklich einen Gefallen, indem man ihnen vermittelt, dass sie "Opfer" sind? Dass ihr Zustand also nichts mit ihrem eigenen Verhalten zu tun hat, schicksalhaft ist? Dass man sie also mit Vergewaltigungsopfern und Krebskranken gleichsetzt? Opfer sind allerdings (ebenso wie Menschen, die Angst haben) besser manipulierbar, als Menschen, die sich als Herr ihres Schicksals fühlen.

Ulla Popken (eine Branche, die selbst Zuhälterei noch in einem karitativen Licht erscheinen lässt) und die Klinik Roseneck lassen grüßen.