Montag, 19. Oktober 2009

Der unsterbliche Elefant

Bei Anne Wills Sendung gestern war ein Elefant im Studio. Was das ist? Die englische Sprache kennt den "Elefanten im Raum", eine großartige Metapher, die für eine Frage, ein Problem, eine Lösung oder ein kontroverses Thema steht, das allen Anwesenden bewusst ist, jedoch von ihnen tabuisiert wird. Nennt man den Elefanten beim Namen, geht er weg.

Anwesend waren, neben der peinlich-inkompetenten Moderatorin, der schmerzerregend einfach gestrickte Bundestagsabgeordnete der CDU, Wolfgang Bosbach, ein brabbelnder Otto Schily, ein steinerweichend gutmenschlicher, bärtiger Professor für "Menschenrechte und Menschrenrechtspolitik", dessen Namen ich verdrängt habe und der Integration, wenn sie gelungen sein soll, als die der Deutschen in die türkische Gesellschaft definiert, eine ebenso schöne und kluge wie ehrliche deutsch-türkische Journalistin namens Güner Balci, die lange als Sozialarbeiterin tätig und verblüffenderweise der Ansicht war, viele Eltern mit Migrationshintergrund hätten kein Interesse daran, "dass ihr Kind in der Gesellschaft ankommt", sowie der ebenso unaussprechliche wie unvermeidliche Öcan "Wurde der nicht gebrieft?" Mutlu, wie immer dummfrech, anmaßend, und das alles in Kanaksprak, mit einem Wort, ein Musterbeispiel gelungener Integration in Deutschland. Auch wie immer gab er geschliffene Weisheitsjuwelen von sich, wie: "Ich finde es unverantwortlich wenn ein Bundespolitiker, wie jeder andere in diesem Land auch, jeden Monat eine neue Intergrationssau durchn Dorf treibt" oder "Warum bekommen Akademiker mit Migrationshintergrund mit einem Migrantenamen deutlich weniger Jobs als welche, die ein ham?", während Otto was von integrationswilligen Krankenschwestern aus Korea und vietnamesischen Schülern die die deutschen weit hinter sich lassen, brabbelte, woraus niemand Schlüsse zog oder es auch nur zur Kenntnis nahm, und die brunzdämliche Moderatorin knallhart-kritisch-investigativ fragte, ob Leute, die zum Deutschlernen gezwungen würden, dies auch "begeistert" täten, als ob das auch nur die geringste Rolle spielen würde. Derweil pöbelte Öcan "Wurde der nicht gebrieft?" Mutlu Güner Balci nieder. Manche sagen, weil es ihm nicht passte, dass sie sich weigerte, in die türkische Opferrolle zu schlüpfen, aber ich glaube, das war, weil er nicht wollte, dass jemand merkt, dass es auch Türken gibt, die NICHT Kanaksprak sprechen. Als sie von der mangelnden Integrationswilligkeit ihrer langjährigen Berliner Sozialarbeits-Klientel berichtete, forderte Öcan "Wurde der nicht gebrieft?" Mutlu "wissenschaftliche Untersuchungen", die ihm allerdings eh nichts nützen würden, da sie bisher noch nicht in Kanaksprak übertragen wurden, aber sicher arbeitet man daran.

Derweil ließ man einen türkischen Integrations-Späterfolg, auch ohne - ist er ja kein Bildungspolitiker - Kanaksprak-Idiom, erzählen, dass es ihm ganz gut in Deutschland ergangen sei, bis in den Achtzigern Onkel Erkan und Vetter Ulvi samt Klein-Mehmed zugezogen seien, die dann alles ("Waskuckstu?") niedermachten, bis die Deutschen sie nicht mehr hätten leiden mögen.

Endlich hielt es der Menschenrechtsbart es nicht mehr aus. Der Elefant MUSSTE beim Namen genannt werden: ISLAM! Und raus war es! Allerdings nicht, wie es jeder billig und gerecht Denkende angenommen hätte, als Antwort auf die nie gestellten Fragen, WARUM koreanische Krankenschwestern sich gerne assimilieren und vietnamesische Abiturienten deutsche übertreffen oder WARUM in den Achtzigern Erkan, Ulvi und Mehmed auf einmal frech wurden. Nein, ebenso wie die mangelnde Integration der Türken die Schuld der Deutschen ist, weil letztere bösartig aus den gemütlichen Migranten-Nachbarschaften mit Herz in kalte deutsche wegziehen, ist es die Schuld der Deutschen, immer die Integrationsdebatte mit - ja wirklich - dem Islam zu überfrachten, der nun wirklich mit nix was zu tun hat und der während der ganzen Sendung ja auch brav als Elefant in seiner Ecke geblieben war. Und daher ging er auch nicht weg, der Elefant, und wenn er nicht gestorben ist, ist er immer noch im Studio, bereit für die nächste (und die nächste und die nächste und die nächste) Integrationsdebatte.