Samstag, 3. November 2012

Energieutopismus in der WELT

Alan Posener wittert antibürgerliche Affekte bei den Kritikern der Energiewende. Ich will darauf stichpunktartig eingehen:

- Freilich hat er recht, daß der Anstieg der Energiepreise in Deutschland nicht einzig auf das Erneuerbare Energiengesetz zurückzuführen ist. Geschenkt.

- Es ist nicht richtig, daß allein der EEG-Anteil den Anstieg der Strompreise durch den Ausbau der Erneuerbaren widerspiegelt. Es gibt ein massives Problem mit der Reservehaltung von alten Kraftwerken, weil die Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren in Deutschland Vorrang genießt. Liefern die Erneuerbaren gerade keinen Strom, müssen Reservekraftwerke bzw. redundante Leistungskapazitäten (die man vorher so nicht als Redundanzeinheiten brauchte) ran. Auch sollen die Kosten, die bei der Errichtung neuer Leitungs- und evtl. Speicherungssysteme entstehen, hier nicht vergessen werden. Das geht alles in den Strompreis!

- Es stimmt nicht, daß mit der Endlagerung von Atommüll quasi unkalkulierbare Kosten auf uns zukommen. Endlager heißen Endlager, damit genau das nicht der Fall ist. Da werden geologische Formationen verwendet, die teils locker über 10 Millionen Jahre alt sind. Posener wäre auf jeden Fall zu empfehlen, sich mit einem Endlagerexperten zu unterhalten. (Ich hatte vor kurzem selbst erst die Gelegenheit, den Ausführungen eines Endlagerexperten zuzuhören, der die Öffentlichkeit aufgrund eines partiell quasitotalitären Diskurses meidet.) Wahrscheinlich werden demnächst die Finnen als erstes ein Endlager besitzen. Unabhängig davon stellt sich bei dem Atommüll auch die Frage der Wiederverwendung des Urans. Bei neuen Reaktortypen ist das durchaus angedacht. Vielleicht wird man den deutschen Atommüll irgendwann nach Frankreich schicken, wo das 90% Resturan in den "abgebrannten" Brennelementen in neuen Reaktortypen dann aufgebraucht wird.

- Daß sich bei dem EEG die Grünen für viele Milliarden auf Jahre hinaus wohlhabende Wähler (die mit den Einspeisevergütungen im Photovoltaikbereich bspw. ihre Rente aufstocken oder den landwirtschaftlichen Betrieb so erst richtig "rentabel" machen) gekauft haben, ist eine Offensichtlichkeit. Man muß das Abkassieren von EEG-Prämien nicht für asozial halten, um darin eine klare Fehlentwicklung zu sehen.

Allgemein stört der utopistische Impetus in der deutschen Energiedebatte. Ein solcher Impetus mag in der Raumfahrt gerechtfertigt sein, wo es um die Erschließung von etwas ganz Neuem geht. Bei der Bereitstellung von Strom ist er das grundsätzlich nicht. Auch Intellektuelle mit einem Rest Verantwortungsgefühl sollten darauf hinarbeiten, diese Utopieseligkeit abzuknicken. Falls die "Stromlobby", wie Posener vermutet, daran tatsächlich schon arbeitet - sie schwimmt ja mittlerweile eher im grünen Zeitgeist mit - würde sie dem Land einen großen Dienst erweisen.

Die technische Entwicklung erneuerbarer Energiesysteme ist durchaus etwas Spannendes, aber eine pragmatischere Haltung kann nur vor späteren Enttäuschungen schützen.