Ich bin wütend. Ich verabscheue die aus Amerika zu uns herüberschwappende Nabelschau-Kultur. Ich verabscheue "identity politics". Ich verabscheue es, intellektuelle Einschätzungen auf persönliche Befindlichkeiten zu reduzieren, oder, wenn man das denn tut, es nicht offen zu legen, und am meisten verabscheue ich es, wenn man meint, mich aus der Reserve locken zu können. DAS nehme ich persönlich.
Da fehlt also jemandem in meinem letzten Text über Antisemitismus „meine persönliche Erfahrung mit Juden“.
- Mein Text befasste sich nicht mit Juden, sondern mit Deutschen und da habe ich, leider, wahrhaft genug „Erfahrung“, persönliche und andere.
- Ich maße mir auch an, als Historikerin kompetent auf die Geschichte dieses Phänomens eingehen zu können, auch dafür brauche ich keine „persönliche Erfahrung mit Juden“.
- „Meine persönlichen Erfahrungen mit Juden“ egal, ob es sie gibt oder nicht, würden nichts mit meinem Text über deutschen Antisemitismus ändern. Sollte es sie geben, würde das in Hinsicht auf meinem Text über deutschen Antisemitismus keinen Unterschied machen, egal ob sie gut oder schlecht oder so lala waren.
- Es war für jemanden meiner Generation gar nicht so einfach, „persönliche Erfahrungen mit Juden“ zu sammeln. Es gab schlichtweg im Nachkriegs-Deutschland nicht mehr genug, um sie unverfänglich (ich betone UNVERFÄNGLICH!) im Alltag zu treffen. Man musste schon in einen Sichwohlfühlbessermenschen- (und latent antisemitischen) Judenknacks-Verein, wie die DIG eintreten. Ich bin niemand, der von einem VHS-Kurs über Klezmer-Musik übergangslos zur Palästina-Demo geht.
Um es kurz zu machen, es geht die Welt einen Scheißdreck an, ob ich oder meine Eltern (ja, es war falsch persönliche Erfahrungen über mein Elternhaus zu teilen, und es wird nicht wieder geschehen) „mit einem Juden zu Abend gegessen“ haben. Was für eine Anmaßung!
Weiter! Ich brauche keine Erklärung, wer Wolfgang Pohrt war, und auch keinen Hinweis auf seine Rolle bei den „Antideutschen“. Danke sehr, das weiß ich seit vielen Jahren. Ich zitiere ihn auch nicht als „heiligen, überparteilichen Geist Deutschlands“. WO mache ich das? Nur für das Protokoll: ich halte die „Antideutsche Linke“ für eine Ansammlung oft hochintelligenter aber geistig-seelisch zutiefst gestörter Individuen - Ideologen. Aber all‘ das macht Pohrts Zitat nicht weniger valide. In diesem Blog gibt es übrigens ein Label "Antideutscher Scheiß" mit 23 Einträgen.
Weiter im Text und wieder! Schau an! Ich schreibe also so, als ob Juden in meinem Alltag nicht existierten. Gut beobachtet, aber sind wir hier nicht etwas zu stark auf „meinen Alltag“, von dem ich schon viel zu viel auf Facebook preisgebe, fixiert! Ob sie das tun oder nicht ist nämlich völlig irrelevant. Ich schreibe über die Reaktion Deutscher auf Juden, nicht über Juden. Ach so! Habe ich das nicht oben schon einmal gesagt? Was soll das? In mir wächst der Verdacht, dass man mir hier Informationen über mein Privatleben aus der Nase ziehen will.
Peinlich!
Das Ganze ist eine derartige mentale und persönliche Grenzüberschreitung, dass mir der Atem wegbleibt, naja fast. Es ist eine auf anspruchsvoll-intellektuell getrimmte Version der berüchtigten falschen Generäle der US-Streitkräfte, die Frauen in den sozialen Medien schleimige Komplimente machen und ihnen so, zugunsten welcher Gratifikation auch immer, persönliche Informationen entlocken wollen.
Das war alles.