Montag, 25. Mai 2009

Ein Abgrund an Toleranz

Andrea Dernbach, (stellvertretende?) Politik-Ressortleiterin beim sich als konservativ verstehenden Tagesspiegel, scheut keine, aber auch wirklich KEINE, Mühe, wenn es darum geht, die kulturbereichernden Aspekte des Islams offen zu legen. Im Dezember 2008 schaffte sie aus den den tiefsten akademischen Senkgruben einen Mitarbeiter am Institut für Semitistik und Arabistik der FUB ans Tageslicht, der Hans Peter Pökel heißt und auch so aussieht.
Das Ziel war, zu erklären, dass es nichts mit dem Islam zu tun habe, wenn kulturbereichernde Jugendliche mit Migrationshintergrund Schwule zu Brei schlagen. Das war nicht einfach, geht es doch um eine Kultur, in der Homosexualität ebenso streng tabuisiert, wie ausgiebig praktiziert wird, gelang jedoch dank Pökels eifriger Kollaboration glatt.

Der Islam hat grundsätzlich kein negatives Bild der Sexualität. Er bejaht sie vollständig als menschlich und notwendig. Unterdrückung ist anders als im Christentum kein Ziel und Sex wird weder als dämonisch noch als böser Trieb gesehen. Homosexualität im heutigen Sinne kennen die klassischen Texte gar nicht. Man müsste eher von Knabenliebe sprechen.

Was heißt das?

Das Konzept ist mit dem des antiken Griechenland zu vergleichen. Ein erwachsener freier Mann darf eine sexuelle Beziehung mit einem Heranwachsenden eingehen – Voraussetzung ist allerdings, dass er der „aktive“ Teil ist, der „penetrierende Mann“. Und er muss natürlich seine soziale Pflicht erfüllen, eine Frau haben und Kinder zeugen. Die arabisch-islamische Welt sah Homosexualität nicht als Verstoß gegen die Natur oder Sünde an, sondern gegebenenfalls als Verstoß gegen soziale Regeln. Auch Männlichkeit ist nichts Biologisches, sondern eine Frage des gesellschaftlichen Status. Penetriert zu werden, schädigt den Status des freien Mannes. Umgekehrt wird der penetrierende Mann bis heute gar nicht als homosexuell angesehen. Diese Sicht ist übrigens nicht typisch islamisch, sondern Teil der Kultur des gesamten Mittelmeerraums. Ein Heranwachsender wird nicht als Mann gesehen, deswegen ist eine sexuelle Handlung mit ihm nichts Schändliches. Er gilt aber als tabu, sobald sich der erste Bartflaum zeigt und unterliegt dann selbst der Erwartung zu heiraten.
Diese Aussage muss man sich in ihrer abgrundtiefen Verkommenheit ganz langsam 'reinziehen: Solange der "passive" Teil eines männlich-homosexuellen Aktes noch nicht in der Pubertät ist, ist Sex mit ihm ganz okay, und das ist ein Beweis für die sexuelle Toleranz in der islamischen Kultur. Dass Pökel, in schöner radikal-feministischer Tradition, das Geschlecht eines Menschen als nichts "Biologisches" ansieht, denn dann ist homosexuell ja auch eigentlich garnicht mehr homosexuell, vermag danach schon nicht mehr zu verwundern.

Es wurde schlimmer:
Was bringt dann Migranten dazu, sich homophob zu äußern oder zuzuschlagen?

Da muss ich zum einen Teil spekulieren: Die Angreifer in Berlin waren 15 bis 24 Jahre alt. Ich vermute, da ist Abgrenzung, auch gewalttätige, gegen sexuelles Anderssein auch ein Versuch, dem eigenen sexuellen Ich auf die Spur zu kommen. Andererseits hat sich die islamische Sicht auf Sexualität vor allem in den letzten 150 Jahren stark verändert.

Inwiefern?

Paradoxerweise ist sie stark verwestlicht. Mit dem Kolonialismus kam auch die viktorianische Prüderie in den Orient und es gab diese Mischung aus Faszination und Abscheu vor dem angeblich wollüstig-verweichlichten, lasziven Orient. Gegen dieses westlich-orientalistische Klischee wehrt man sich in arabischen Ländern bis heute durch besondere Strenge und Tabuisierung von Sexualität im Allgemeinen. Und die Verfolgung von Homosexuellen ist oft ganz grausam. Dafür lässt sich die authentische islamische Tradition aber kaum verantwortlich machen, sondern eher diejenigen, die ihre eigene ablehnende Haltung durch die religiösen Quellen bestätigt sehen wollen.
Auch das verdient nähere Betrachtung: Während die hochzivilisierte islamische Kultur eigentlich sexuell ungemein tolerant war, weil Kinderficken der sexuelle Missbrauch von prae-pubertären Jugendlichen anerkannte Praxis war, wurde dieser Kultur der schönen Offenheit nach allen Richtungen erst durch die Prüderie des Westens, die unverständlicherweise Sex mit Kindern nicht gestattet (aber wir sind dabei das zu ändern) sexuell repressiv, weil man ja weiß, wie bereitwillig Muslime westliche Einflüsse aufnehmen. Und da selbst diesem Pökel die Löcherigkeit seiner schamlosen Argumentation klar sein musste, schob er noch schnell Erklärung B nach, nämlich die vom Aufdiespurkommenwollen des eigenen sexuellen Ichs, was immer das sein mag.

Vielleicht sollte man überlegen, ob das Zusammenschlagen von "Bürgern mit Migrationshintergrund" durch Neonazis nicht doch ein Versuch ist, dem eigenen politischen Ich auf die Spur zu kommen, aber so einfach macht es uns Frau Dernbach nicht. Im September 2008 ließ sie uns nämlich wissen:
Ganz abgesehen davon, dass sich diese Gesellschaft, die immer noch viel zu weiß [Hallo Rassismus!], männlich [Hallo Sexismus!], europäisch dominiert ist, um in einer globalisierten Welt erfolgreich zu bleiben, sich mit dem Ausschluss des „Anderen“, der Muslime, der Migranten, um wichtige Chancen bringt, sich zu erneuern und, ja auch, zu modernisieren.
Und vielleicht hat sie ja recht. Das Modernisierungspotential des Islams für unsere Kultur wurde vielleicht schon immer unterschätzt, denn wenn irgendetwas die Dekadenz unserer weißen, männlich dominierten europäischen Kultur beweist, dann ist es die Tatsache, dass *ämliche *otzen X-Chromosom-Trägerinnen wie Dernbach in ihr zu führenden Meinungsmachern aufsteigen können. In einer kulturbereicherten, modernen, nicht von weißen europäischen Männern dominierten, Gesellschaft müsste sie nämlich die Fresse halten und dürfte nur zugehängt auf die Straße, was man immerhin als wichtige Chance sich zu erneuern ansehen könnte.

So wie es nun einmal zur Zeit noch ist, konnte sie denn auch leider niemand daran hindern ihre, inzwischen völlig voraussagbare, Ansicht zu Navid Kermani zu äußern, dem Mann, der zur Zeit gefeiert wird, als hätte er eine Kur gegen Krebs entdeckt, wo er doch nur das Kreuz beleidigt hat.

Dass bramarbasierende heiße Luft, solange sie gekonnt-obskur und mit durch nichts gerechtfertigtem Selbstbewusstsein daherkommt, hierzulande gerne für intellektuelle Tiefe gehalten wird, ist nichts Neues, aber Dernbach - was kann man von jemandem erwarten, der den sexuellen Missbrauch von Kindern für den Beweis von Toleranz im Islam sieht - verlor schnell was immer sie noch an Schamgefühl besessen haben mochte. Ja, Frau Dernbach, man kann das so sehen. Kermani IST ein bedeutender Vermittler zwischen Orient und Okzident, einer, der die Verhältnisse klärt und der dem letzteren ganz dezidiert seinen Platz irgendwo ganz am Ende der kulturellen Futterkette zuweist.
Orientalist Kermani, vor 41 Jahren als Sohn iranischer Eltern in Siegen geboren, hat nicht nur eine akademische Bilderbuchkarriere an den feinsten Adressen der Republik hinter sich, war Promotionsstipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes, Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin, Stipendiat der Villa Massimo in Rom und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Dass das mehr über all die "feinsten Adressen", als über den Mann aussagt, der weite Teile seiner Habilitationsschrift abgeschrieben hat, der Gedanke kommt Dernbach, so scheint es, nicht.

Es wurde schlimmer. Gestern verstieg sie sich in dem Beitrag "Deutschlands neue Eliten" (immerhin hat der Tagesspiegel einen konservativen Ruf zu verlieren) zu der Aussage:
Der Streit um Navid Kermani und den Hessischen Kulturpreis zeigt: Die intellektuelle Zukunft des Landes gehört den Migranten.
Und niemand lachte.
Viel öfter als unter ethnisch Deutschen sind es unter den Türken nicht die Kinder von Eltern mit Abitur und Studium, die in die Hörsäle drängen, sondern die von Putzfrauen und Arbeitern: In Nordrhein-Westfalen hatte schon in den 90er Jahren die Hälfte der türkischen Studierenden Eltern, die lediglich die Grundschule besucht haben. Und während 14 Prozent der deutschen Unterschichtskinder erklären, sie wollten das Abitur machen, sind es bei den Migrantenkindern derselben Schicht fast doppelt so viele, 27 Prozent.
Ja, Frau Dernbach. 27 Prozent "erklären" das. Kann das vielleicht daher kommen, dass unsere verkommenen Eliten diesen Kindern weismachen, dass ihnen die Zukunft gehört und die dann anschließend die Latte in Bodennähe anbringen, damit auch die Kinder von türkischen Putzfrauen und Arbeitern sie überspringen und ein höheres Bildungsziel erreichen können?

Kann es auch daran liegen, dass ein (falls überhaupt) mittelmäßiges Talent wie Kermani, der es als weißer europäischer Mann vielleicht bis zum Studienrat gebracht hätte, zum neuen Retter des Abendlandes hochgejubelt wird? Oder kann es sein, dass ein weißer, europäischer Mann mit zwei abgebrochenen Studiengängen nicht Bundestagsabgeordneter geworden...? Okayokay, lassen wir das weg.

Kann es sein, dass diese Andrea Dernbach, der jeder ethisch-moralische Kompass, jeder Stolz, jede intellektuelle (oder überhaupt jede) Integrität, mit einem Wort: jedes Schamgefühl, abgeht und über deren Ausbildung, persönliche Umstände und Werdegang das sonst so geschwätzige Internet sich fast völlig ausschweigt, eine persönliche Agenda hat? Das ist bisher noch niemandem aufgefallen? Kann es sein, dass die Irren schon lange die Anstalt übernommen haben?