Freitag, 28. Mai 2010

Warum Pädophilie nicht ganz locker sehen?

Im März 1972 widmete DER SPIEGEL dem Günther Hunold ein Feature, bei dem der Günther supergut wegkam, denn niemand, der die Spießer gegen sich hat, kann ein ganz schlechter Mensch sein. Unter dem neckischen Titel Kosen und Posen informierte das Qualitätsblatt:

Die Anschrift lautete: "An das Schwein Hunold, München."

Doch weder Post noch Adressat gerieten darob in Verlegenheit. Der Brief wurde unverzüglich zugestellt, der Empfänger war befriedigt: "Da wußte ich, daß ich bekannt war."

Das so freudig aufgenommene Schreiben enthielt anonyme Schmähungen gegen den Urheber des gedruckten und verfilmten "Schulmädchen-Reports", Günther Hunold, 45.
Und so ist der ganze Artikel voll von der Witzischkeit, die beim SPIEGEL schon immer für kritisch-distanzierte Berichterstattung gehalten wurde und die bei diesem Objekt besonders abstoßend ist. So wird Hunold liebevoll-ironisch bezeichnet als Liebhaber-Sexologe, Mädchen-Interviewer, Liebes [sic!]-Experte, Hygieniker, emsiger Dozent, Erfolgsautor, Literat, autodidaktische Frohnatur oder auch als Vielbeschäftigter, nur nicht als das, was er ist, eine zutiefst verkommene Suddelsau.

Apropos Vielbeschäftigter:
Doch nur noch selten "gegen Mitternacht" setzt sich der Vielbeschäftigte an das Gebraucht-Instrument [einen Flügel], um sich für "mein Hauptwerk" zu präparieren... Allein nach dem "Schulmädchen-Report" sind sieben Hunold-Bücher über Kosen und Posen [ha ha] erschienen, darunter "Abarten des Sexualverhaltens", "Das Inzest-Tabu" und "238 Liebespositionen".

Der Erfolg des Hunoldschen Stellungs-Angebots [ha ha] ("Innerhalb weniger Wochen war die erste Auflage vergriffen") bewog Verlag und Autor, diesem "Lehrbuch der körperlichen Liebe" sogleich einen zweiten Teil anzuhängen: "224 abartige Liebespositionen".

Jetzt lief der Literat zu Forscher-Format auf. Den Inhabern von Sexual-Neurosen schachtete er eine Fundgrube aus, die für jeden etwas birgt. Beispiele: Für Masochisten die "Position 84": "Der Masochist wird nackt mit Lederschnüren oder eisernen oder ledernen Handschellen gefesselt, dann gestoßen, getreten, an den Haaren gerissen, beschimpft und schließlich "vergewaltigt"."

* Für Pädophile die "Position 165": "Beim Baden oder Schwimmen faßt der Pädophile das halbnackte Kind an, streichelt es und manipuliert gleichzeitig an seinen eigenen Geschlechtsteilen." Warnung: "Im allgemeinen ist der Geschlechtsverkehr mit einem Kind ohne Gewaltanwendung nicht möglich."
Ja, das "birgt" in der Tat "für jeden" etwas. Es blieb auch unkommentiert, was beweist, wie locker der Qualitätsjournalismus schon vor 38 Jahren mit heiklen Themen umzugehen vermochte.

Nur der Papst schwieg mal wieder.