Mittwoch, 19. Mai 2010

Zunähen!

Bis heute wusste ich nichts von der Existenz der Nadja Benaissa, was eine gute Sache war.

Nun fand ich den etwa einen Monat alten Beitrag von Jörg Diehl, der sich unter dem Titel "Krankheit, Tabu und Tat", der irgendwie Schicksalhaftigkeit suggeriert, in SPON sorgt:

Sie soll ungeschützten Sex mit ihren Partnern gehabt haben, obgleich sie wusste, dass sie HIV-positiv ist: Die öffentliche Aufregung um die Verhaftung der No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa könnte größer kaum sein. Für die Justiz ist der Fall nicht nur deshalb eine Herausforderung.

Hamburg - Es gibt diesen "Orientierungssatz" der Juristen, er wird nun häufig zitiert: "Übt ein HIV-Infizierter in Kenntnis seiner Ansteckung mit einem anderen ohne Schutzmittel Sexualverkehr aus", heißt es in einer Erläuterung zu einem Urteil des Landgerichts Würzburg vom 17. Januar 2007, "macht er sich wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar." Die Strafbarkeit seiner Handlung entfalle jedoch, "wenn der Geschlechtspartner (…) die Ansteckung kennt".

Der Sprecher der Darmstädter Staatsanwaltschaft, die am Karsamstag die No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa verhaften ließ, formuliert es ähnlich: "Wenn jemand, der davon Kenntnis hat, dass er HIV-infiziert ist, seinen Partner nicht informiert und der Partner sich ansteckt, dann ist das gefährliche Körperverletzung." Komme es nicht zu einer Infektion, "ist das versuchte gefährliche Körperverletzung"...

Das mag in der Theorie so sein, doch in der Praxis könnte es große Probleme bereiten, diesen Vorgang zu beweisen. Die Ermittler haben zwar inzwischen ein immunologisches Gutachten in Auftrag gegeben, das Aufschluss darüber geben soll, ob die 26-jährige Benaissa tatsächlich ihren Ex-Partner mit dem HI-Virus angesteckt hat.

Fachleute wie der Sprecher des vom Bundesministerium für Forschung und Wissenschaft geförderten Kompetenznetzes HIV/Aids, Norbert Brockmeyer, ziehen den Wert einer solchen Expertise indes in Zweifel.

"Der absolute Nachweis, dass Person A die Person B mit HIV infiziert hat, ist nach einigen Jahren mit medizinischen Mitteln nicht mehr zu führen", sagte der Bochumer Professor für Dermatologie und Allergologie SPIEGEL ONLINE. Dafür mutierten die Viren in beiden Körpern zu stark - insbesondere wenn sich die Betreffenden Therapien unterzögen.

Wie aus Justizkreisen verlautete, soll der letzte sexuelle Kontakt Benaissas zu dem Mann, der sie angezeigt hat, im Frühjahr 2004 stattgefunden haben.

Vorsatz oder nicht - das ist die Frage

Und selbst wenn die Medizin Ungeahntes vollbringen sollte, ist damit eine weitere Frage "von zentraler Bedeutung" noch nicht geklärt, wie die Berliner Rechtsanwältin Henrike Weber sagte: "Legte es der Täter auf die Lebensgefährdung seines Opfers an beziehungsweise hielt er sie wenigstens für möglich und nahm sie in Kauf?" Wusste er also, was er tat und damit antat?

Auch das könne schwierig nachzuweisen sein, so Weber zu SPIEGEL ONLINE. "Man muss den Lebenswandel des Angeklagten und die Tatumstände sehr genau prüfen." Die Zahl der Fälle, in denen "eine Krankheit als Waffe eingesetzt wird", sei nach ihrer Einschätzung nicht sehr hoch.

Die Juristin hat in einem aufsehenerregenden Verfahren um absichtliche HIV-Infektionen ein Opfer als Nebenklägerin vertreten. Das Kölner Landgericht verurteilte im Juni 2007 einen arbeitslosen Kfz-Mechaniker wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Jahren Gefängnis, weil der an Aids erkrankte 38-Jährige absichtlich vier Frauen mit dem tödlichen Virus angesteckt hatte. Einem seiner Opfer schrieb Stephan S. in einer Textmitteilung: "Viel Spaß mit HIV!"

schnipp

Benaissa bleibt in Haft

Der Berliner Anwalt der verhafteten Sängerin kann für ein aktuelles strafrechtliches Verhalten der 26-Jährigen ohnehin "keine irgendwie gearteten Anhaltspunkte" erkennen, wie Rechtsanwalt Christian Schertz in einer Erklärung schrieb...

...In keiner Weise sei bewiesen, dass seine Mandantin für eine HIV-Infektion einer anderen Person verantwortlich sei.

Dennoch bleibt Benaissa weiterhin in Untersuchungshaft. Der Staatsanwaltschaft liege weder eine Haftbeschwerde noch ein Haftprüfungsantrag vor, sagte Behördensprecher Neuber am Mittwoch. Man habe den dringenden Tatverdacht und den Haftgrund der Wiederholungsgefahr nicht ignorieren können, rechtfertigte die Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen.

Der infizierte Mann habe Anzeige erstattet und von sich aus mehrfach erfolglos versucht, auf Benaissa zuzugehen. Auch habe die Staatsanwaltschaft "versucht, ihr rechtliches Gehör zu geben", so Neuber. Die 26-Jährige habe darauf nicht reagiert.

Mit Material von dpa
Irgendetwas kann hier nicht stimmen. Niemand, nicht einmal sie selbst, bestreitet, dass sie von ihrer HIV-Infektion wusste. Folglich hat sie, selbst wenn sie nicht die böse Absicht des oben geschilderten männlichen Täters hatte, zumindest billigend in Kauf genommen, dass ihre Sexpartner sich infizieren könnten. WIESO also ist es nicht unstreitig, dass hier ein Fall von zumindest versuchter (für den Fall, dass sich nicht nachweisen lässt, dass es Benaissa war, die den Kläger infiziert hat) schwerer Körperverletzung vorliegt?

Notabene dass die "Berliner Rechtsanwältin" [sic!], die "in einem aufsehenerregenden Verfahren um absichtliche HIV-Infektionen ein [vermutlich weibliches - sic!] Opfer als Nebenklägerin vertreten (hat)", im Fall eines weiblichen Täters sehr viel weniger pingelig ist: "Legte es der Täter auf die Lebensgefährdung seines Opfers an beziehungsweise hielt er sie wenigstens für möglich und nahm sie in Kauf?" Falls Benaissa nicht vollkommen deppert ist, was nicht auszuschließen ist, MUSS sie, die HIV-Positive, gewusst haben, was sie tat, als sie ungeschützten Verkehr mit einem Mann hatte. Bleiben also zwei Möglichkeiten: Eine Anklage wegen zumindest versuchter schwerer Körperverletzung oder ein sofortiges Wegschließen dort, wo sie keinen Schaden mehr anrichten kann. Aber sollen wir wetten, dass das alles bei einem Klaps auf's Patschhändchen bleibt und dann irgendwo im Sande verläuft? Schließlich sind Frauen immer Opfer und nie Täter.

Hat sich eigentlich mal jemand die Mühe gemacht, sich den Lebenslauf dieser Frau näher anzuschauen? Mit 14 Jahren crackabhängig, mit 17 ein uneheliches Kind zur Welt gebracht, nach dessen Geburt sie keinen Kontakt mehr zum Vater hatte. (Ja, okay, lassen wir das weg, Männer sind Schweine!) Spätestens mit 17 oder 18 erfuhr sie, dass sie HIV-positiv ist. (Das ist aus ihrer Wikipedia-Biographie allerdings nur konkludent zu schließen, da dort kein Datum dafür angegeben ist, aber sie selber wohl nicht bestreitet, dass sie im Jahr 2000, als der erste inkriminierte Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, bereits von ihrer Infektion wusste, und zu dem Zeitpunkt war sie 17 oder 18.) Bis 2004 hatte die Siebzehn- bis Zweiundzwanzigjährige mit mindestens drei weiteren Männern Geschlechtsverkehr.

Das alles hat die auch sichtbar nicht mehr ganz Taufrische nicht daran gehindert, in Deutschland als Mitglied einer WhoreGirl Group, in der das allerdings nicht besonders herausstach, so etwas wie eine Karriere zu machen. Was mich aber wirklich interessiert ist, ob die vielen braven, gutbürgerlichen Eltern, die ihre behüteten Töchter zu den Konzerten dieser WhoreGirl Group, gefahren haben, deren Porno-Ästhetik wirklich nicht aufgefallen ist oder ob sie nur politisch korrekt eingeknickt sind. Und ob die, DENEN sie aufgefallen ist, jetzt angesichts des Falles Benaissa verwundert sind. Denn SCHICKSALHAFT ist hier nichts, aber auch garnichts.