Montag, 13. Dezember 2010

Die määnschäänvärachtäändän Grenzen der Meinungsfreiheit

Es gibt Zustände, die sind so schlimm, dass sogar Stefan Niggemeier bei ihrer Aufarbeitung zu helfen vermag. Dazu gehört Peter Hahne. Hahne ist vielseitig benutzbar, selbst sein Konterfei könnte noch als Illustration des Eintrags "Ohrfeigengesicht" in einer Enzyklopädie dienen. Um sein publizistisches Niveau gleichmäßig ethisch zu halten, schreibt der Theologe mit Vorliebe in BamS. Diesmal erweist er Thilo Sarrazin Respekt (kein Link, bitte googeln):

Das integrationskritische Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin wäre für mich kein Grund gewesen, den Mann seines Postens als Bundesbankvorstand zu entheben.

Geschehen ist es dennoch. Aber säße der Mann noch weiter auf diesem Stuhl, müsste er spätestens jetzt gefeuert werden. Denn was Sarrazin sich jetzt geleistet hat, ist von Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt [sic!]. Ich finde das unanständig und einer Persönlichkeit, die für sich Respekt einfordert, unwürdig.

Derselbe Mann, der über deutsche Leitkultur schwadroniert, lässt nämlich eine der wichtigsten Tugenden für sich selbst außer Acht: Anstand.

In einem Gespräch mit der „taz“ polterte Sarrazin auf die Frage, was er von der Kritik der Ex-Bischöfin Margot Käßmann an seinem Buch hält: „Vielleicht hat sie das Buch nicht gelesen. Oder sie hat beim Lesen wieder ein bisschen zu tief ins Glas geschaut. Wenn die Buchstaben auseinanderlaufen, kann man schon etwas missverstehen.“ Wenn einer hier alles missverstanden hat, dann der feine Herr Sarrazin. Er hat sich über einfachste Regeln menschlichen Umgangs hinweggesetzt.

Jemanden spöttisch und hämisch mit Fehlverhalten der Vergangenheit in Verbindung zu bringen, um damit seiner aktuellen Wut Luft zu machen, tut man nicht. Deshalb leistete zum Beispiel Hans Jochen Vogel mit einer Entschuldigung bei Wolfgang Schäuble Abbitte, nachdem er 1994 über ihn gesagt hatte: „Dieser Mann ist unter dem Eindruck seiner Behinderung sehr hart geworden, manche meinen sogar böse.“ Oder die dauernden Anspielungen gegenüber dem damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping, er sei ja schließlich auf den Kopf gefallen – er hatte 1996 einen schweren Fahrradunfall erlitten.
Nun muss man wissen, dass die Kritik der "Ex-Bischöfin Margot Käßmann an seinem [Sarrazins] Buch" nicht etwa besagt, dass er, Sarrazin, ein schlechtes Buch geschrieben hätte. Sie hatte gemeint, es sei "menschenverachtend", eine von ihr immer wieder gerne genommene Phrase (die phonetisch "määnschäänvärachtäänd" geschrieben werden kann, zumal dann, wenn Käßmann nicht mehr nüchtern ist, wie das von Harald Schmidt veröffentlichtes Video - "Man hätte es wissen können" - eindrucksvoll beweist.). Dagegen sollte man sich wehren dürfen, und wenn Sarrazin der "Bischöfin" nun ihre Alkoholabhängigkeit zugute hält, ist er da sehr freundlich und, wie wir finden, allzu politisch korrekt. Menschenverachtend ist es, Herr Hahne, einer alten Schnapsdrossel ein Forum zu geben, die menschenverachtenderweise voll wie eine Haubitze durch eine deutsche Großstadt gebrettert ist. Was glauben SIE, Herr Hahne, wie oft jemand, der mit einem Promillewert noch autofahren kann, der einen Gelegenheitstrinker ins Koma versetzen würde, schon vorher strunzenduhn am Steuer saß ohne erwischt zu werden?

Und hat man ihnen während ihres Theologiestudiums nicht beigebracht, Herr Hahne, dass es einen ethisch-moralischen Unterschied zwischen Schicksalsschlägen (Schäuble), leicht fahrlässig herbeigeführten Unfällen (Scharping) und zynisch- und menschenverachtendenderweise (as opposed to "määnschäänvärachtäändenderweise") herbeigeführten Ereignissen, wie einer Alkoholfahrt, gibt?

Die einfachsten Regeln menschlichen Umgangs sind, quod erat demonstrandum, nichts, was in der BamS erörtert werden sollte.

Niggemeier:
Nun bekommt Hahne also seine eigene Gesprächssendung. Premierengast heute um 13 Uhr ist Margot Käßmann, die bei Hahne, wie Hahne meint, ihr Schweigen über die Vorgänge in der „Schicksalsnacht”, wie er zweimal begeistert sagt, bricht. Im Sinne von: noch einmal bricht, vermutlich.
Wir brechen auch.