Donnerstag, 6. November 2014

Adieu AfD

Ich stamme aus einer Familie mit alter, sozialistischer Tradition. Mein Vater und mein Großvater mütterlicherseits sind noch 1932 aus der SPD aus- und in die SAP eingetreten. Mein Vater, der in diesem Jahr 103 würde, hat bei den Nazis wegen Hoch- und Landesverrats "gesessen" und die ganzen 1000 Jahre im Untergrund gearbeitet. Nach dem Krieg saß er 12 Jahre für die SPD im Landtag von NRW. Kurt Schumacher war Gott.

Was hat mich zum Umdenken veranlasst? Das war vor allem die "Zweite Intifada" 2000, dann der 11. September 2001 und der durch diese Ereignisse in Medien und Politik offenbar werdende Judenhass sowie die schamlos-relativierende Berichterstattung zu den Gräueln des Islam. (Das Zweite hat seine Ursache im Ersten -- und in Petrodollars.) Dadurch wurde mir dann der Meinungsterror der politischen Korrektheit, auch in vielen anderen Dingen, offenbar. Oft habe ich mich gefragt, was mein Vater, er ist 1977 verstorben, zu all dem gesagt hätte.

Den Rest gaben mir die zwei Jahre in einem, naja, weniger guten Viertel in Oberhausen auf der Stadtgrenze zu Duisburg. Ich habe darüber geschrieben.

Gerhard Schröder habe ich noch gewählt, dann, bei ihrem ersten Antreten, Angela Merkel. Dann war ich jahrelang Nichtwähler. Ich habe später die AfD als eine echte Alternative zu den abgewirtschafteten etablierten Parteien gewählt, nicht aus "Protest", und hatte naiverweise auf eine Erneuerung des wertkonservativen Gedankens in Deutschland gehofft. Ich habe denen nicht übelgenommen, dass sie Islamkritik trotz ihrer zentralen Bedeutung für unsere Zukunft, nicht auf ihrer Agenda hatten und haben, schließlich gibt es viele Baustellen bei uns. Ich habe die antisemitischen Vorfälle relativert, schließlich hatte man darauf angemessen reagiert und bei der SPD gibt es so etwas ja auch (z.B. hier und hier). Die empörend ungleichgewichtige Berichterstattung in den Medien hatte meine Einstellung verfestigt.

Nun hat mich der heutige Artikel von Tatjana Festerling in der Weltwoche* (unbedingt ganz lesen!) aus meinem Narrenparadies vertrieben.

Selbst in meiner Partei, der Alternative für Deutschland, die sich mit «Mut zur Wahrheit» rühmt, wird offen zur Denunziation aufgerufen. Abweichende Meinungen werden nicht geduldet. Und damit auch wirklich nie, nie wieder ein Bürgerlicher wagt, sich selber ein Bild davon zu machen, hat Parteichef Bernd Lucke allen Mitgliedern verboten, an Hogesa-Demonstrationen teilzunehmen. Man muss sich schon sehr bewusst machen, dass man Mitglied einer demokratischen ­Partei ist und nicht aus Versehen in einer obskuren, kontrollbesessenen Sekte mit geliebtem Anführer gelandet ist.
Dieses Verhalten der AfD und ihres Vorsitzenden Bernd Lucke ist so unfassbar borniert, realitätsleugnend und, ja, kontrollbesessen, dass ich es nicht mehr mit dem, was ich in dieser Partei gesehen habe, vereinbaren kann. Ich kann sie und Lucke einfach nicht mehr ernst nehmen. Nun kann ich mich auf meinen ehrenwerteren Status als Nichtwähler zurückbegeben. Adieu Afd. Es ist eine junge Partei. Möge sie in der Zukunft mehr Mut, Verstand und Fortune bei der Bewältigung ihrer Aufgaben haben.

*Gefunden bei PI.