Montag, 6. Dezember 2010

Über Vergangenheitsbewältigung, Leistung und Haltung

Es gibt jetzt, wie uns taz-Verschnitt Welt informiert, die "erste deutsche Ruhmeshalle für Sportler in Berlin". Und nun - wer hätte das gedacht - gibt es ein Problem. Viele der Kandidaten für ein Plätzchen dort waren - wer hätte das gedacht - Mitglieder in, wie es die Welt so putzig formuliert, "Hitlers Partei".

Nun hätte es mehrere Möglichkeiten gegeben. Eine, und sicher die beste, wäre gewesen, ein solches Unternehmen erst überhaupt nicht zu beginnen. Eine weitere wäre gewesen, Naziparteimitglieder stillschweigend auszuschließen, aber dann hätte man sich fragen lassen müssen, ob die Mitgliedschaft das einzige Kriterium sein kann. Schließlich gab es so etwas wie Mitläufer einerseits und Nazis und andere Charakterschweine andererseits, die nicht unbedingt Parteimitglieder waren. Außerdem: Wäre eine "Ruhmeshalle" des Sports wirklich sinnvoll, die z.B. einen Sepp Herberger ausschließen würde? Man hätte auch nach 1945 beginnen können aber - ein fauler Kompromiss.

Schließlich hat man sich - wer hätte das gedacht - für die schlechteste aller Möglichkeiten entschieden, nämlich niemanden auszuschließen und das Ganze dann endlos zu diskutieren, um zu zeigen, wie toll man aus seiner Vergangenheit gelernt hat. Dazu gehört auch die Einbeziehung eines Sportlers, der als Kommunist von den Nazis ermordet wurde, aber, rein sportlich gesehen, dort nichts zu suchen hat. Wie wäre es mit dem Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg? Schließlich war er Kavallerist und also auch irgendsoetwas, wie ein Sportler, und irgendwie wird man sich doch das andere bessere Deutschland, das es nie gab, zusammenlügen können.

Eindeutig in die Ruhmeshalle jedoch gehört Hans Günter Winkler, der größte Springreiter aller Zeiten, dem die Olympia-Funktionäre 1952 aus ganz großer Höhe die Teilnahme an den Spielen verwehrten, weil er, um etwas zum Fressen und Rauchen zu haben, für die Engländer Pferde geputzt hatte. Das hat ihn nicht gehindert, dann noch fünfmal Deutscher Meister, einmal Europa- und zweimal Weltmeister zu werden, an sechs Olympischen Spielen teilzunehmen und dabei 5 mal Gold, einmal Silber und einmal Bronze zu gewinnen.



Bemerkenswert ist Winkler auch deswegen, weil er 1956 bei den Olympischen Reiterspielen vor Schmerzen schreiend in den zweiten Umlauf ging - er hatte sich im ersten einen Muskelriss zugezogen - was seiner Mannschaft das Gold und ihm das Einzelgold sicherte. 32 Jahre später erklärte Modellathlet Jürgen Hingsen dann der Welt, dass er versagt hatte, weil er eine schwere Tasche tragen musste und tat sich auch noch leid, als er daraufhin zum Deppen der Nation erklärt wurde.

Oder so ahnlich.

Da wir nun schon einmal über Sport reden: Die Olympischen Reiterspiele in Stockholm 1956 sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert, vor allem auch deswegen, weil dort eine Dänin namens Lis Hartel ihre zweite Silbermedaille im Dressurreiten errang. Die erste hatte sie 1952 in Helsinki, wo zum ersten Mal Frauen in einer Reiterdisziplin zugelassen waren, gewonnen. Lis Hartel war nach einer Polio-Erkrankung gelähmt. Sie ging an Stöcken und musste aufs und vom Pferd gehoben werden. Heute dürfte sie aus Gründen politischer Korrektheit nur noch auf Freakshows konkurrieren. Gerechtigkeit muss sein, und wir haben es weit gebracht.



Lis Hartel (Silber), Henry St. Cyr (Gold) und Liselott Linsenhoff (Bronze).