Wer Eva Herman erwähnt, sollte über Ann Coulter, ein anderes "konservatives" blondes Medienglück, nicht schweigen. Die ist etwa Hermans Jahrgang, sieht aber wie ein hundertjähriger Stoßvogel aus und gilt auf "konservativen" Webseiten in Deutschland als knackiges Nachwuchtalent. Ich kann nur vermuten deswegen, weil man hier erst dann von ihr gehört hat, als "konservativ" unlängst in Mode kam, obwohl es, wie in Deutschland ja nicht unüblich, sowohl von von denjenigen, die "konservativ" gut finden, als auch von denjenigen, die das nicht tun, immer wieder hartnäckig mit "reaktionär" verwechselt wird.
Coulter ist weder die durchgeknallte Reaktionärin, noch die tapfere Kämpferin für "konservative" Werte, als die sie, je nach Sichtweise, immer wieder dargestellt wird, sondern eine eiskalt kalkulierende Geschäftsfrau (und ich verwende den zweiten Teil dieses Wortes mit äußerster Zurückhaltung), die ihre Bücher so vielen Leuten, wie möglich, andrehen möchte und das auch tut. Zu diesem Zweck würde sie alles (aber auch ALLES) sagen. Manchmal hat sie sogar recht, eine kaputte Uhr geht ja auch zweimal in 24 Stunden richtig. Diese gackernde Henne kann wunderbar improvisieren oder, wie das auf Englisch so viel schöner heißt: "She makes up her shit as she goes along."
Sie gleicht in ihrem - tatsächlichen oder gemimten - Blutdurst den Megären, die während der Französischen Revolution abwechselnd strickend und applaudierend unter der Guillotine saßen. Gerüchte sagen, sie sei ein geschlechtsumgewandelter Mann. Ich wünschte, das wäre wahr, weil dann müsste ich mich als Frau nicht so sehr fremdschämen.
Neulich konnte sie wieder einmal einen Heuler verbuchen, weil sie in Donny Deutschs CNBC Talkshow "The Big Idea" gesagt hat, was eigentlich jeder wissen sollte oder zumindest könnte:
COULTER: Nein, wir meinen -- wir möchten nur, dass die Juden perfekt werden, wie man so sagt.Alle hatten wieder vor Aufregung ihre Unterwäsche verwurstelt und niemandem ging auf, dass Coulter nix weiter von sich gegeben hatte, als die offizielle christliche Position. Und schon hatte sie wieder einige hundert Bücher mehr verkauft.
DEUTSCH: Wow, das hast du nicht wirklich gesagt, oder?
COULTER: Ja. Das ist es, was das Christentum ist. Wir glauben an das Alte Testament, aber unseres ist mehr wie Federal Express. Man muss den Gesetzen gehorchen. Wir wissen, dass wir alle Sünder sind --
DEUTSCH: Früher hätte ich argumentiert -- wenn du so etwas Absurdes sagst, dann gibt es kein --
COULTER: Was ist absurd?
DEUTSCH: Dass die Juden perfekt werden sollen. Ich werde jetzt gehen und mich selbst perfektionieren --
COULTER: Nun ja, das ist es, was das Neue Testament sagt.
DEUTSCH: Ann Coulter, Autorin von "If Democrats Had Any Brains, They'd Be Republicans" (wenn Demokraten ein Gehirn hätten, wären sie Republikaner) und wenn Ann Coulter ein Gehirn hätte, würde sie nicht sagen, dass Juden perfekt werden sollen. Ich fühle mich dadurch persönlich beleidigt.
Was mich allerdings viel mehr interessieren würde, ist die Beantwortung der Frage, wie diese fromme Evangelistin ihrer konservativ-christlichen amerikanischen Anhängerschaft ihre grade mal blößebedeckenden Fummel erklärt, oder die Tatsache, dass eine gläubige Christin sich öffentlich als "prick teaser" (ein Begriff, der leider nur unangemessen als "Aufgeilerin" übersetzt werden kann) zur Schau stellt.
Weniger wundert mich schon, dass diese Knallcharge droht zum Sex-Idol der deutschen Möchtegerncons zu werden. Wer, wie Hannes "Pimpelchen" Stein, die kalkulierten verbalen Engleisungen einer Coulter, ihre intellektuelle Unredlichkeit, ihren schlampigen Umgang mit Tatsachen als "knallklug" bezeichnet (von der juvenilen Wortwahl eines sprachlosen Untalents einmal abgesehen), hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und wenn eine androgyne, hochgradig kachektische Mittvierzigerin als "jung und hübsch" bezeichnet wird, dann hat da jemand nicht nur Dreck im Gehirn, sondern auch auf den Augen.
Das Problem ist, dass es bei uns genügt, eine undefinierte Linke zu attackieren, je wüster je besser, um als "konservativ" eingestuft zu werden. Irgendwelche Inhalte, positiven Ziele, vernünftige Argumente oder gar ein ethischer Grundkonsens sind dann überflüssig, was einer Ann Coulter ein sicheres warmes Plätzchen am bescheidenen Herd einer merk- und schambefreiten deutschen "konservativen" Bewegung bescheren wird.