Dienstag, 3. Juni 2008

Definition eines Gentlemans

Die versammelte Journaille hat schon vor geraumer Zeit auf Max Mosley das Treiben angeblasen. Schmuddelsex wird immer wieder gerne genommen und außerdem kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass es nicht nur in Deutschland Nazis gab. Am 11. Mai schrieben wir daher:

Max Mosley, der Sohn zwei der fiesesten Engländer des vergangenen Jahrhunderts (wofür er nichts kann) verschwindet immer noch nicht aus den Schlagzeilen.

Um ehrlich zu sein, wir finden Max' Methode, mit der Nazivergangenheit seines Vaters umzugehen, bedeutend sympathischer als die, Bush mit Hitler zu vergleichen, damit Vati ein bisschen weniger schuldig wird, zumal man wegen des einen, je nach Temperament des Publikums, entweder zum Abschaum oder zur Lachnummer der Welt wird und für das andere Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages.

Das Leben ist selten gerecht.
Grade stoße ich in der Süddeutschen auf eine DPA-Meldung, die so grottendämlich ist, dass sie mir einen weiteren Blogeintrag in dieser fünftrangigen Angelegenheit abnötigt, denn der Gedanke, dass Max nun seinen
Ruf des englischen Gentlemans (los)
sein könnte, ist derart ignorant, dass sie nur von einem deutschen Kleinbürger stammen kann, der feine Lebensart (oder das, was er dafür hält) allein aus englischen Fernsehserien kennt und für den ein "englischer Gentleman" so wohlerzogen ist, wie Hudson, der Butler im Haus am Eaton Square und so asexuell wie John Steed und der selbstverständlich auch keine Ahnung davon hat, wieviel ärmer Weltliteratur und Kino wären, ohne die sexuelle Verworfenheit der englischen Oberschichten.
Mit dem Sieg bei der Vertrauensabstimmung hat der Brite seine Gegner im Internationalen Automobilverband FIA auch nach dem Sex-Skandal in die Schranken gewiesen.

Die weltweit bekannten Bilder von Rollenspielen mit fünf Prostituierten konnten den 68-Jährigen ebenso wenig wie laute Rufe renommierter Automobilclubs zum Rücktritt bewegen.
Tja, falls es sich hier nicht um eine jüdische Weltverschwörung zugunsten der Nachkommen toter Nazis handelt, kann man nur davon ausgehen, dass Max' Funktionärskollegen einen Grund hatten, ihn zu stützen, vielleicht den, sich nicht von einem Haufen selbstgerecht entrüsteter Kleinbürger vorschreiben lassen zu wollen, was sie zu tun haben.
Kritiker allerdings werfen dem Sohn des ehemaligen britischen Faschistenführers Sir Oswald Mosley einen diktatorischen Führungsstil vor. Als oberste moralische Instanz des Motorsports machte sich Mosley viele Gegner. Mit Verweis auf das Regelwerk ging er immer wieder rigoros gegen Verfehlungen von Teams und Fahrern vor und schreckte dabei auch nicht vor Strafen gegen Branchen-Helden wie Michael Schumacher zurück.
Oh oh! Max, dessen Nazi-Vater - sie konnten nicht anders - in schöner deutscher Denunzianten- und Sippenhaft-Tradition wieder einmal aufs Tapet gebracht werden musste, hatte doch tatsächlich die Frechheit, schamlos darauf zu bestehen, dass Fahrer und ihre Teams sich an die Regeln des Sports halten und dabei nicht einmal Hemmungen, Michael Schumacher, einen deutschen Helden für die einen, Abschaum nach einer unterschiedlichen Definition, in die Pflicht zu nehmen. "Schumi" und sein Kultstatus alleine sagen mehr über die Verfasstheit des deutschen Gemüts aus, als alle sozialwissenschaftlichen Bibliotheken der Welt, "Schumi", dessen Regelverstöße oft nichts anderes waren als das billigende Inkaufnehmen des Todes seiner Konkurrenten, "Schumi", der Traum aller deutschen Schwiegermütter beiderlei Geschlechts.

Die Engländer schickten eines ihrer größten Sportidole tatsächlich, wirklich und wahrhaftig in den Knast, ein Vorgang, der bei uns so undenkbar wäre, wie die Formierung einer bürgerlichen Mitte, aber was kann man von Leuten erwarten, die einen "englischen Gentleman" für eine Kreuzung von Butler Hudson und John Steed dem Hodenlosen halten, und nicht für jemanden, der Pack daran erinnert, dass es sich an Regeln zu halten hat.